Reise- & Erlebnisblog mit Fokus
Der 7. Oktober … ein Tag, der normalerweise voller Lachen ist, gefüllt mit Geschenken und einer selbstgebackenen Geburtstagstorte von meiner Mutter. An Papas Ehrentag entspannten wir normalerweise zu Hause, grillten oder aßen in einem coolen Restaurant. Doch in diesem einen Jahr – diesem ganz spezifischen Jahr – dachte mein Vater überhaupt nicht an seine Geschenke. Meine Eltern konzentrierten sich an diesem Tag voll und ganz auf die schrecklichen Nachrichten, die auf fünf verschiedenen Bildschirmen in ihrem Wohnzimmer liefen, ergänzt durch die Live-Ticker auf ihren Handys … Ihre Gedanken kreisten einzig und allein um die Frage, wie sie ihre Tochter da rausholen konnten!
Für uns begann der Tag ganz normal. Die aufgehende Sonne weckte uns gegen 6 Uhr morgens auf einem Campingplatz in der Nähe des Toten Meeres. Es war Tag fünf unserer Israel-Reise. Eine Reise, die Chris und ich als Reiseleiter für meine Patentante, ihren Mann und ihre drei Söhne mit ihnen zusammen unternahmen. Einige von uns hatten heute Nacht im Auto geschlafen, andere hatten ihre Schlafsäcke in einer Asphaltlücke in der Nähe des Parkplatzes ausgebreitet. Erst gestern hatten wir meinen Geburtstag gefeiert und obendrein die Verlobung von Chris und mir. Abends hatten wir dann nach einem bestimmten Campingplatz gesucht, nur um festzustellen, dass dieser von einem Erdrutsch verschluckt worden war.
Nach kurzem Suchen war die schnelle Notlösung dann deshalb der Parkplatz eines anderen Campingplatzes. Mit all diesen Erinnerungen von gestern im Kopf wachten wir nun also langsam auf, um uns an einer Picknickbank zum Frühstück zu treffen. Ich weiß nicht, wer es zuerst bemerkte, aber ich glaube, es war meine Patentante. Beim Frühstück schaute sie auf ihr Handy, weil sich eine Freundin aus Deutschland Sorgen um sie machte. Sie sagte, sie habe in den Nachrichten etwas von einem „terroristischen Überfall“ gehört und dass bald ein Krieg mit Gaza ausbrechen würde. Nun machte sich auch meine Patentante Sorgen und fragte uns, was wir jetzt tun sollten.
Chris und ich waren mit den Alarmen von „Red Alert“, der israelischen Raketen Warnapp, vertraut und dachten uns daher anfangs nicht viel dabei. Wir versuchten, alle zu beruhigen, rieten meiner Patentante, nicht zu sehr auf die Sorgen in den Nachrichten zu hören, und sagten allen, dass so etwas in Israel normal sei. Wir erklärten ihnen auch, dass die deutschen Nachrichten die Situation wahrscheinlich viel zu dramatisch darstellten und ein kleiner Raketenwechsel mit Gaza hier normalerweise niemandem schadete.
Also packten wir unsere Sachen, stiegen in unsere Autos und fuhren die kurvige Bergstraße hinauf, während wir langsam den tiefsten begehbaren Punkt der Erde hinter uns ließen. Ich erinnere mich, dass mich in diesem Moment die Erinnerung an die wunderschöne Verlobung überwältigte und ich im Auto vor Glück zu weinen begann. Noch während der Fahrt bemerkten Chris und ich, die wir auf den Vordersitzen saßen, die ersten Raketenspuren des Iron Dome Abwehrsystems am Himmel. Wir teilten es uns gegenseitig mit unseren Augen mit, sagten aber kein Wort, damit sich niemand Sorgen machte. Doch dann sagte meine Patentante hinter uns: „Eine Freundin hat mir gerade geschrieben, dass sie jetzt Raketen abfeuern. Sie fragt mich, ob wir sie von hier aus sehen können.“ Und dann begannen natürlich alle, den Himmel durch die Fenster zu beobachten und bemerkten die Raketen-Spuren. So viel zum Verheimlichen der Sorgen ^^. Aber den Jungs schien es bisher gut zu gehen. Ich glaube, für sie war es eher ein Abenteuer.
Unser nächster Stopp war eine Tankstelle auf dem Weg nach Jerusalem. Wir wollten hier nur kurz tanken, uns Snacks holen und die Toiletten benutzen. Als wir ausstiegen, fühlten wir uns richtig merkwürdig. Es war, als wären wir die einzigen Menschen in Alltagskleidung. Um uns herum sah man nur Soldaten! Und so viele! Manche wirkten unbeschwert, andere ernst. Aber insgesamt war die Atmosphäre angespannt und konzentriert. Inmitten dieser Ansammlung grüner Uniformen setzten wir uns an einen Tisch und besprachen, was wir tun sollten. Ich hatte im Auto mit meinen Eltern geschrieben, und langsam dämmerte uns das Ausmaß der Situation. Wir beschlossen, nicht wie geplant nach Jerusalem zu gehen, sondern die Stadt zu umfahren und direkt Haifa im Norden anzusteuern. So weit weg sein wie möglich, von allem was im Süden passierte, war die Idee.
Während der nächsten Hälfte unserer Autofahrt wurden wir von zahlreichen Straßenkontrollen angehalten. Soldaten mit riesigen Waffen standen neben Straßensperren und ließen die Autos nur einzeln durch. Einmal, als wir an einer dieser Sperren warten mussten, flog ein Kampfjet suuuper tief über unser Auto. Was für eine verrückte Situation! Die Jungs waren natürlich begeistert. Eine andere Straßensperre an der wir warten mussten, war stark verraucht vom Feuer auf den Feldern links und rechts von uns. Keiner der Soldaten versuchte, es zu löschen oder ähnliches… Wir wussten nicht, warum es dort war, aber wir vermuteten, dass sie vielleicht versuchten, eine Iron Dome Batterie (eines der israelischen Abwehrsysteme) vor Luftüberwachung zu verstecken? Wer weiß…
Nach einigen Stunden Fahrt kamen wir dann in Haifa an. Wir parkten unsere Autos direkt in Meeresnähe und gingen erstmal schwimmen. Das Airbnb, das wir spontan für diese Nacht buchen wollten, hatte noch nicht geantwortet. Also warteten wir und lenkten uns von dem schweren Thema ab, während die Jungs nach all der Aufregung und der langen Autofahrt ihre Energie ablassen konnten. Überraschenderweise waren wir nicht die einzigen am Strand. Es waren ziemlich viele Leute da, und keiner von ihnen schien sich darum zu kümmern, was etwas weiter südlich vor sich ging. Ein paar Stunden später war unser Schlafplatz bestätigt, und wir blieben dort für die Nacht.
Am nächsten Tag beschlossen wir, nach Tiberias aufzubrechen. Das wäre immer noch im Norden, weit weg von allem, und wir könnten vielleicht noch einige Sehenswürdigkeiten mitnehmen. Also verbrachten wir einen Tag am See Genezareth, fuhren nach Kfar Nahum und machten einen Spaziergang durch die Häfen von Tiberias. Am Abend, als die Jungs schliefen, regte der Mann meiner Patentante eine Gebetszeit an. Das war eine super Idee und half sehr in der ganzen Situation zur Ruhe zu kommen und einen Sinn darin zu sehen. Nach der Gebetszeit hatte er den Eindruck, am nächsten Tag nach Haifa zurückzukehren und dort etwas Zeit im Gebetsraum einer örtlichen Kirche zu verbringen. Und genau das taten wir dann. Es war eine sehr schöne Zeit voller Lobpreis und Gebet, nur manchmal unterbrochen vom Lärm der Kampfflugzeuge über unseren Köpfen.
Wir blieben noch zwei weitere Nächte in Haifa und versuchten weiterhin, allen einen schönen Urlaub zu bereiten und gleichzeitig die aktuelle politische Lage zu verstehen. Es war nicht leicht, die Urlaubsstimmung bei den Kindern aufrechtzuerhalten – die Anspannung und das ständige Lesen der Nachrichten waren einfach zu präsent. An einem Abend gab es sogar einen landesweiten Aufruf, auf dem Balkon zu stehen und als Zeichen der Hoffnung, die israelische Nationalhymne zu singen. Das war für uns alle sehr berührend, hat uns aber auch die Realität der Situation noch näher gebracht. In einer anderen Nacht erschreckte uns die App für Raketenwarnungen mit einem gewaltigen Einschlag direkt über Haifa – doch wir konnten keine Sirenen hören! Später stellten wir fest, dass die App einen Fehler gemacht hatte … Was für ein unnötiger Schock!
Mit jedem weiteren Tag wurden die Stimmen von Freunden, Familie und den Nachrichten lauter, dass alle Ausländer das Land verlassen sollten. Die Botschaften verschiedenster Länder begannen Evakuierungsflüge zu organisieren, und die Gespräche über einen Krieg nahmen zu. Und als uns klar wurde, dass alle Touristengebiete geschlossen oder nicht mehr sicher sein würden, entschieden wir schließlich, zum Flughafen zu fahren.
Die Meinungen darüber waren gemischt – von „Warum müssen wir schon weg? Wir können doch noch schwimmen gehen!“ bis „Endlich! Ich habe die Raketen so satt …!“ – war die ganze Bandbreite an Gefühlen in unserer kleinen Reisegruppe vertreten. Am Flughafen angekommen, waren wir von der schieren Menge der Menschen überwältigt. „Überfüllt“ war gar kein Ausdruck, um zu beschreiben wie voll es war! Zuerst parkten wir unsere Autos und gingen hinein, um uns zu informieren. Wir trafen mehrere Botschaftsmitarbeiter, die versuchten, ihren Landsleuten Orientierung zu geben. Wir unterhielten uns mit Deutschen, Österreichern und US-Amerikanern und gingen dann zurück zu unserem Auto. Angesichts der rasanten Entwicklungen beschlossen wir, am Flughafen zu bleiben, bis wir einen Rückflug gefunden hatten. Wir schnappten uns unser Gepäck, die Eltern brachten die Autos zurück, und wir trafen uns alle wieder, um hineinzugehen.
Die nächsten Stunden sind in meiner Erinnerung etwas verschwommen. Ich weiß noch, dass eine freundliche Dame vom israelischen Außenministerium uns mit anderen Deutschen in Verbindung brachte, die ebenfalls am Flughafen auf einen Flug warteten. Also gesellten wir uns dazu und versuchten, unsere Botschaft telefonisch zu erreichen, um einen Platz in einem Evakuierungsflug zu bekommen. Das Warten dauerte endlose Stunden, und es war nicht einfach, die Botschaft zu erreichen. Wir wechselten uns mit dem „Telefonjob“ ab, aber meistens wurden wir nach zwei Stunden in der Warteschleife einfach rausgeworfen. Sehr, sehr frustrierend…
Während wir warteten, unternahmen wir eine Menge Dinge. Ich erinnere mich nicht mehr an die Reihenfolge, aber ich erinnere mich, wie wir draußen auf dem Parkplatz saßen und Karten spielten. Wir aßen dort auch zu Abend. Eine andere Erinnerung ist, wie meine Patentante und ich vor den Flughafentoiletten zu unserem hebräischen Lieblingslied von Ishay Ribo tanzten – es muss schon sehr spät gewesen sein ;) Wir spielten auch Fangen mit den Jungs in der großen Halle und schauten uns einige Filme auf dem iPad an. Für die Nacht kuschelten wir uns, mit Jacken zugedeckt, eng um unser Gepäck im Eingangsbereich zwischen zwei Aufzügen zusammen.
Irgendwann erreichte einer von uns endlich die Botschaft und wir bekamen Plätze in einem der Evakuierungsflüge nach Deutschland! Der Flug würde sehr weit weg vom zu Hause der Familie meiner Patentante landen, es war nur eine bestimmte Menge Gepäck erlaubt, und der Flug musste trotz allem aus eigener Tasche bezahlt werden – aber wenigstens würden sie hier rauskommen :) Chris und ich flogen nicht mit ihnen mit. Da Chris Amerikaner ist und ich Deutsche bin, hätten wir uns trennen und in verschiedene Länder fliegen müssen. Zumindest dann, wenn wir einen Evakuierungsflug genommen hätten. Also verabschiedeten wir uns von der Familie meiner Patentante und buchten ein Airbnb in Tel Aviv, ganz in der Nähe des Flughafens. Die nächsten drei Tage schrieben wir mit meinen Eltern und googelten Flüge, bis wir eine israelische Fluggesellschaft fanden, die noch immer ganz normal flog. Dann verließen auch wir das Land.
Und das war der 7. Oktober aus unserer Sicht.
Wenn man sich jetzt, rund zwei Jahre später, das Ausmaß der Situation vor Augen führt, erscheint es unfassbar, dass wir tatsächlich dabei waren, als alles begann. Rückblickend können wir deutlich erkennen, wie Gott uns vor zahlreichen möglichen Bedrohungen beschützt hat. Oftmals ließ er uns an einen anderen Ort aufbrechen, nur etwa zwei Stunden bevor an dem Ort, an dem wir gerade waren, etwas passierte. Wir sehen es auch als große Ehre, dass Gott uns während einer so einschneidenden Zeit erlaubte im Land zu sein, und es uns so ermöglichte, von einer besonders nahegelegenen strategischen Position zu beten und Fürbitte zu leisten.
Ich glaube, Gott wollte uns auch dort haben, um uns etwas für unsere Zukunft in Israel beizubringen. Obwohl wir nur einen mini-kleinen Ausschnitt dessen erlebt haben, was die Menschen dort regelmäßig erleben, haben wir etwas sehr Wichtiges gelernt:
Angst kann sich in solchen Situationen leicht von hinten anschleichen und versuchen, einen bei lebendigem Leib zu verschlingen. Doch das Vertrauen darauf, dass das eigene Leben in Gottes Händen liegt – und zwar NUR in seinen Händen! –, lässt die Angst so plötzlich zerbrechen, dass man sich fragt, ob sie jemals da war. Diese Wahrheit wurde mir durch das Bild eines Hais bewusst: Wir befinden uns im Meer, in einer uns fremden und feindseligen Umgebung, es ist dunkel um uns herum, und dann sehen wir plötzlich dieses riesige, furchteinflößende Wesen auf uns zukommen, wissend, dass es alle Mittel hat, um uns zu zerreißen. Und wenn wir versuchen, vor ihm wegzuschwimmen, ist er definitiv schneller und erreicht uns trotzdem. Aus weltlicher Sicht wäre das das Ende. Doch in Gottes Reich ist es anders! Wenn wir auf ihn vertrauen und die Macht der Angst nicht bedenken, wird der Hai sterben, sobald er uns erreicht! „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe vertreibt alle Furcht“, heißt es in 1. Johannes 4,18. Und wer sonst ist vollkommene Liebe, wenn nicht Gott? Die ersten drei Verse von Psalm 27 machen es noch deutlicher: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil – vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Festung meines Lebens – vor wem sollte mir grauen? Wenn die Gottlosen gegen mich anrücken, um mich zu verschlingen, sind es meine Feinde und meine Widersacher, die straucheln und fallen! Wenn mich ein Heer belagert, fürchtet sich mein Herz nicht; wenn Krieg gegen mich ausbricht, bleibe ich auch dann zuversichtlich.“ Genau dieses unerschütterliche Vertrauen brauchen wir! Es ist sicherlich eine Entscheidung, die wir immer wieder treffen müssen, aber sie ist so wichtig! König David betont diese Wichtigkeit nur wenige Verse später: „Lule he’ emanti lir ’ot letuv Adonai…“ – „Hätte ich nicht geglaubt, die Güte des Herrn zu sehen…“ – Ja, hätten wir nicht! Wer weiß, was dann mit uns und unserem Herzen geschehen wäre! Die heutige Lehre aus der Geschichte ist daher folgende einfache Aussage: „Harre auf den Herrn, sei stark und lass dein Herz Mut fassen.“ (Psalm 27,14)
Joy :)
20.04.2025
"Durch Glauben baute Noah, als er eine göttliche Weisung über das, was noch nicht zu sehen
war, empfangen hatte, von Furcht bewegt, eine Arche, zur Rettung seines Hauses."
Hebräer 11,7
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